Pläne für Neubau des Bethmannhofs / Interview mit Städtebaubeirat Torsten Becker

Der historische Bethmannhof in der Nähe des Römers und der Paulskirche soll durch einen Neubau ersetzt werden, so der Plan der Bethmann Liegenschafts KG. Denn die Bethmann Bank, die 2019 in den Marienturm umgezogen ist, möchte langfristig an ihren angestammten Standort zurückkehren. Laut Presseberichten soll das Bestandsgebäude in etwa fünf Jahren zurückgebaut werden und stattdessen soll ein Neubau mit Büros und Flächen für eine öffentliche Nutzung, wie ein Restaurant und ein Museum, entstehen.

Laut Bethmann Liegenschaft KG sei der Bethmannhof am Ende seiner technischen und wirtschaftlichen Lebensdauer angekommen und die Anforderungen an ein modernes und energieeffizientes Bürogebäude können nicht mehr erfüllt werden. Aus diesem Grund wurden bereits 2018 Gespräche mit der Stadt Frankfurt aufgenommen, um zu prüfen, wie und mit welchen Voraussetzungen das Gebäude weiterentwickelt werden kann, so dass es wieder als modernes Bürogebäude nutzbar ist. Die Bethmann Liegenschafts KG befindet sich im Besitz der Familie von Bethmann und der ABN AMRO Bank N.V.. Unter Berücksichtigung der Denkmalschutzanforderungen und nach Durchführung eines Wettbewerbs wurde jetzt ein positiver Bauvorbescheid erzielt. Das bedeutet, die Stadt ist mit dem Vorhaben grundsätzlich einverstanden, jedoch gebe es für das Grundstück keinen Bebauungsplan.

Perspektive Bethmannstraße, Buchgasse

Perspektive Buchgasse, Münzgasse

Die Entwürfe für den Neubau stammen von dem Wiesbadener Büro BGF+ Architekten. Der Neubau soll mit sechs Geschossen doppelt so hoch werden wie der dreigeschossige Bestandsbau. Der Entwurf zeichnet sich unter anderem durch die besondere Dachform mit unterschiedlicher Neigung und die einheitliche Stein- und Dachgestaltung aus. Wiederverwertbare Bauelemente und -teile sollen im Neubau wieder eingebaut werden und historische Bauelemente, wie zum Beispiel das Eingangstor, sollen gesichert, restauriert und wieder eingebaut werden. Auch der historische Keller an der Buchgasse soll erhalten bleiben. Bei einem Architekturwettbewerb erzielte 2023 der Entwurf von BGF+ Architekten den zweiten Preis, wobei ein erster Preis nicht vergeben wurde. Den 3. und 4. Platz belegten die Arbeiten der Berliner Büros Max Dudler und C.F. Møller. Der zweitplatzierte Entwurf von BGF+ Architekten wurden in den vergangenen Monaten überarbeitet.

Entwurf und 3. Preis von Max Dudler, Berlin

Entwurf und 4. Preis von C. F. Møller Architects, Berlin

Geschichte des Bethmannhof

Der traditionsreiche Bethmannhof in der Nähe des Römers und der Paulskirche diente der Bethmann Bank seit 1762 als Unternehmenssitz. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude weitestgehend zerstört und in den 1950er Jahren mit den vorhandenen Mitteln wiederaufgebaut. Vor rund 20 Jahren erfolgte eine Teil-Modernisierung, bei der die ungedämmten Fassaden und Dächer jedoch in ihrem Ursprung verblieben. Im Jahre 2019 zog die Bethmann Bank aus dem Gebäude aus und wechselte ins neu errichtete Marienforum.

Aktuelle Nutzung

Die seit April 2023 gestartete Zwischennutzung des Bethmannhofs als Event-Location, Café und Bar sowie Anlaufstätte für Künstler und Kulturschaffende durch die Kreativorganisation Massif Central soll die nächsten fünf Jahre betrieben werden, bis der Rückbau beginnen soll. Durch diese aktuelle Nutzung ist der repräsentative Bethmannhof in unmittelbarer Nähe zum Römer und der Paulskirche wiederbelebt, nachdem er seit 2019 leer stand.

Denkmalschutz und geplante Maßnahmen

Das Neubauvorhaben wird durch den Denkmalschutz nicht behindert. Trotz des geplanten Abrisses sollen einige historische Elemente erhalten und in den Neubau integriert werden, darunter das barocke Säulenportal aus der Zeit um 1680, das Eingangstor an der Bethmannstraße und die historischen Keller entlang der Buchgasse. Der Großteil der Bausubstanz, die hauptsächlich aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stammt, wird jedoch als nicht schützenswert eingestuft und kann daher ohne Einschränkungen umgestaltet werden. Laut dem Planungsdezernat wurde dieses Vorgehen mit den zuständigen Denkmalbehörden abgesprochen.

Der Neubau soll öffentliche Nutzungen wie Gastronomie und ein Museum im Erdgeschoss vorsehen und der Hof soll weiterhin öffentlich zugänglich bleiben. Konkrete weitere Überlegungen dazu gibt es angeblich noch nicht. Die endgültige Entscheidung über das Projekt steht noch aus, wobei die Eigentümer betonen, dass Sorgfalt wichtiger sei als Schnelligkeit, insbesondere angesichts der prominenten Lage des Gebäudes.

Kritik an Neubauplänen

Bei der CDU, Linken und den Grünen stößt der Entwurf auf Kritik, da der Neubau zu hoch und zu massiv sei und nicht in das historische Umfeld passe. Es gibt auch Stimmen, die den Abriß des Gebäudes im Sinne der Nachhaltigkeit für nicht sinnvoll erachten und es aus stadtgeschichtlichen Gründen erhalten wollen. Der Bethmannhof befindet sich zudem direkt gegenüber dem Rathausturm „Langer Franz“, dessen Dach nach jahrelangem politischen Diskussionen und Dank des bürgerlichen Engagements bald rekonstruiert werden soll.

Interview mit Torsten Becker, Architekt und Städtebauexperte

Wir als SKYLINE ATLAS wollten von Torsten Becker, Architekt und Vorsitzender des Frankfurter Städtebaubeirats, wissen, was er über diesen Entwurf des Neubaus des Bethmannhofs aus städtebaulicher Sicht denkt.

Torsten Becker ist freischaffender Stadtplaner in Frankfurt am Main und bearbeitet mit seinem Büro tobeSTADT städtebauliche Projekte für neue Stadtquartiere und Transformationsareale in ganz Deutschland (u.a. Frankfurt Eschersheim Nördlich Anne-Frank-Siedlung, Hofheim Römerwiesen, Wiesbaden Innenstadt, Worms Domquartier, Würzburg Hubland). Seit 2018 ist er Vorsitzender des Städtebaubeirats, der die Stadt Frankfurt in städtebaulichen Fragen berät. Als Mitglied im Vorstand der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen und Fachpreisrichter setzt sich Torsten Becker besonders für eine qualitätssichernde Planungskultur und das Wettbewerbswesen ein. Derzeit lehrt er an der Technischen Universität Darmstadt als Vertretungsprofessor im Fachbereich Architektur »Entwerfen und Städtebau«.

Torsten Becker, Vorsitzender des Frankfurter Städtebaubeirats

SKYLINE ATLAS: Könnten Sie bitte unseren Leserinnen und Lesern erklären, was die Gründe dafür waren, dass es in diesem nicht offenen Realisierungswettbewerb kein 1. Platz vergeben wurde, sondern nur ein 2. Platz und zwei 3. Plätze?

Torsten Becker: Das Wettbewerbsverfahren wurde entsprechend der gültigen Richtlinien für Architekturwettbewerbe RPW 2013 durchgeführt. Diese sichern eine hohe Verfahrensqualität und sorgen für eine sachgerechte Entscheidung. In diesem Rahmen kann das Preisgericht auch entscheiden, keinen ersten 1. Preis zu vergeben. Offenkundig war das Preisgericht von keiner Arbeit völlig überzeugt und hat eine Überarbeitung empfohlen, was ja auch erfolgt ist. Das nun veröffentlichte  Konzept ist für mich aber immer noch nicht gelungen.

SKYLINE ATLAS: Ist ein durch den Bauherrn ausgelobter Realisierungswettbewerb ausreichend, um eine städtebauliche Entscheidung für diesen besonderen Ort zu treffen?

Torsten Becker:
An sich ist ein Realisierungswettbewerb das richtige Verfahren. Er muss halt gut vorbereitet sein. Dazu gehört auch eine gute Planungskommunikation im Vorfeld, um der Öffentlichkeit die Rahmenbedingungen und die Ziele des Wettbewerbs zu erläutern. Und nach Abschluss des Wettbewerbs muss der Bauherr und der Sieger das Projekt dann auch den Menschen erläutern und sie dafür begeistern. Daran hat es hier gemangelt. Bei dem Projekt Bethmannhof wäre es besser gewesen, wenn man den Büros keine Vorgaben zur Ausnutzung gemacht und ihnen den Erhalt des Gebäudes freigestellt hätte. Es wäre auch klüger gewesen, mehr Teilnehmer und auch ein paar junge Büros einzuladen, so dass man eine größere Auswahl an Entwürfen hat. In vielen Wettbewerben machen wir mittlerweile eine Beteiligung der Öffentlichkeit noch vor der Preisgerichtssitzung. Das wäre in diesem Verfahren sicher auch sinnvoll gewesen. Architektur ist eine öffentliche Angelegenheit und muss gerade an so einem wichtigen Ort ausgiebig debattiert werden.

SKYLINE ATLAS: Das neugeplante Gebäude wird doppelt so hoch wie das Bestandsgebäude aus den 1950-Jahren. Was sagen Sie zu der Kritik, dass das Gebäude zu wuchtig und zu hoch sei?

Torsten Becker: Man ist erst einmal erschrocken, wenn man den Baukörper sieht und empfindet ihn als viel zu hoch. Da es keinen Bebauungsplan für die Beurteilung des Bauvorhabens gibt, muss die Stadt das Projekt dahingehend beurteilen, ob es sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Der Baukörper des Entwurfs orientiert sich an der höheren Nachbarbebauung und ist insofern planungsrechtlich betrachtet in Ordnung. Dennoch hat man sich an die heutige Bebauung gewöhnt und würde sie am liebsten hinsichtlich ihrer Höhe so belassen.

SKYLINE ATLAS: Sehen Sie eine ausreichende gestalterische Verbindung von der Tradition des Ortes mit der modernen Architektur?

Torsten Becker: Die Architektursprache des Baukörpers empfinde ich für diesen Ort als fremd. Er ist seltsam monolithisch, was überhaupt nicht zur Feingliedrigkeit vieler Gebäude in der Frankfurter Altstadt passt. Aber auch die anderen Entwürfe aus dem Wettbewerb sind dahingehend nicht überzeugend. Mit dem vorgeschlagenen Konzept würde wieder ein Stück Geschichte aus der westlichen Altstadt verschwinden. Dabei gibt es dort mit den Bauten am ehemaligen Bundesrechnungshof und dem Degussa-Areal schon zu viele Gebäude, die architektonisch beliebig wirken und städtebaulich zu großmaßstäblich sind.

SKYLINE ATLAS:  Sollte man versuchen, den Bethmannhof aufgrund seines besonderen Standorts und seiner geschichtlichen Bedeutung im Bestand zu erhalten?

Torsten Becker: In jedem Fall muss man den Bethmannhof erhalten. Das Gebäude hat ja eine besondere Geschichte und ist in einem guten Zustand. Mit der jetzigen Nutzung des Massiv Central wird doch wunderbar aufgezeigt, wie solch ein Ort bespielt werden kann und wie er die Innenstadt bereichert und belebt. Auch aus ökologischen Gründen ist es nicht zu verantworten, ein dauerhaft funktionsfähiges Gebäude abzureißen. Ich kann mir einen behutsamen Ausbau der Dachgeschosse vorstellen. Damit wäre für die Eigentümer doch ein guter wirtschaftlichen Mehrwert gegeben.

SKYLINE ATLAS: Der Zugang zum Bethmannhof soll über die Bethmannstraße erfolgen, aber auch über die Buchgasse im Osten und der Blauhandgasse im Westen. Wäre nicht besonders eine Durchwegung nach Süden zum Main sinnvoll?

Torsten Becker: Die Hoftyplogie des Bethmannhofs mit der Öffnung zur Bethmannstraße ist ja im Grundsatz prima und auch etwas Spezielles in der Innenstadt. Untergeordnete Zugänge zu den umliegenden Gassen wären darüber hinaus natürlich sinnvoll. Man könnte auch die etwas abweisenden Erdgeschosse insbesondere zur Münzgasse einladender gestalten, so dass man über die Buchgasse zum Mainkai gelangen kann.

SKYLINE ATLAS: Sechs Jahre nach der Fertigstellung der Neuen Altstadt und jahrelangen Diskussionen und einer großen Spendenbereitschaft der Bürger und Bürgerinnen Frankfurts soll nun die städtische Dom-Römer GmbH die Rekonstruktion des Rathausturms „Langer Franz“ übernehmen. Der Rathausturm befindet sich direkt gegenüber des Bethmannhofs. Sollte der Neubau des Bethmannhofs architektonisch Bezug zum „Langen Franz“ nehmen und wie könnte man dies konkret umsetzen?

Torsten Becker: Der „Lange Franz“ hat ja eine große Wirkung als städtebauliches Merkzeichen und insofern finde ich die Rekonstruktion der Turmspitze sinnvoll. Einen direkten gestalterischen Bezug vom Bethmannhof im Sinne einer weiteren Rekonstruktion sehe ich aber nicht. Die Architektur des Bethmannhofs muss sich gut in den historischen Kontext einfügen und das sollte mit einem zeitgemäßen und zukunftsweisende Ansatz erfolgen. Dabei sind auch die ökologischen Anforderungen, wie etwa ein ressourcenschonender Materialeinsatz und eine adäquate Begrünung, zu integrieren. Als grüne Klimaoasen könnte der Bethmannhof genauso wie viele andere Höfe in der westlichen Altstadt auch das Wohlbefinden der Menschen an heißen Sommertage ermöglichen und die Innenstadt lebenswerter machen.

SKYLINE ATLAS: Welches Konzept würden Sie als Städtebaubeirat für diesen besonderen Ort vorschlagen?

Torsten Becker:
Der Straßenzug Bethmannstraße und Braubachstraße ist ja einer der schönsten Straßenräume Frankfurts. Er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts nach den Prinzipien des künstlerischen Städtebaus geplant und hat mit dem geschwungenen Straßenverlauf einen hohen Erlebniswert mit vielen Blickbeziehungen wie etwa zum Langen Franz. Leider sind die Erdgeschosszonen der Rathausbauten verschlossen und der Straßenraum teils in einem desolaten Zustand. Der Städtebaubeirat fordert generell eine Aufwertung des öffentlichen Raums in der Innenstadt. Die Dominanz des Autoverkehrs muss weiter reduziert werden, die Straßen und Plätze müssen grüner werden und mehr Aufenthaltsqualität erhalten. Die Bethmannstraße muss fußgängerfreundlich umgestaltet werden, so dass man gerne vom Römer zu Fuß zum Karmeliterkloster und weiter zum Willy-Brandt-Platz geht. Auch die anderen Straßenräume in der westlichen Altstadt wie etwa die Münzgasse oder die Limpurgergasse mit den grünen Plätzen könnten viel schöner werden. Mit dem Wettbewerb für das Haus der Demokratie kommt jetzt hoffentlich eine öffentliche Debatte in Gang, in der über die Gestaltung des Bereichs von der Paulskirche über den Römer zum Karmeliterkloster diskutiert wird.

SKYLINE ATLAS: Vielen Dank, Herr Becker, für dieses spannende Interview.

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