Grüneburgweg - Frankfurt - Fahrradstraße - Westend

Interview mit dem Radverkehrsbeauftragten zur Umgestaltung des Grüneburgwegs in eine Fahrradstraße

Die Umgestaltung des Grüneburgwegs, einer der Einkaufsstraßen im Frankfurter Westend, in eine fahrradfreundliche Nebenstraße, wurde in den letzten Wochen realisiert. Zu den Maßnahmen zur Umgestaltung des Grüneburgwegs in eine Fahrradstraße zählen neue Markierungen, Piktogramme, Verkehrszeichen und zahlreiche neue Fahrradbügel. In den Kreuzungsbereichen wurden Abstellbügel und Poller so platziert, dass illegales Parken von Kraftfahrzeugen und damit verbundene Sichtbehinderungen verhindert werden. Markierte Sicherheitstrennstreifen sorgen für einen größeren Abstand zwischen Radfahrern und längs parkenden Autos, wodurch das Risiko schwerer Unfälle verringert wird. Dies erhöht die Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer, einschließlich Fußgängern. Vor der Umgestaltung wichen viele Radfahrer wegen der auto-dominierten Straße auf den Gehweg aus, was Fußgänger belästigte und gefährdete. Durch die neuen Maßnahmen wird die Anzahl der Radfahrer auf den Gehwegen signifikant reduziert.

Diese Maßnahmen sind Teil eines umfassenden Konzepts zur Neugestaltung von Stadtteil-Geschäftsstraßen und Radverkehrsachsen in der Frankfurter Innenstadt. Ziel ist es, den Kfz-Durchgangsverkehr und das Dauerparken zu reduzieren sowie die Raumaufteilung zugunsten von Radfahrern und Fußgängern zu verändern, um die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Der Oeder Weg war das erste Beispiel in dieser Reihe. Die Umwandlung des Oeder Wegs in Frankfurt in eine fahrradfreundliche Straße hat sich positiv auf die Verkehrsbelastung ausgewirkt. Dies zeigt eine Studie der Frankfurt University of Applied Sciences (UAS), die das Projekt wissenschaftlich begleitet hat und bewertet den Umbau nun als Erfolg. Demnach wurden die anfangs gesteckten Ziele erreicht: Der Auto-Verkehr nahm ab, die Zahl der Fahrräder stieg, die Unfallzahlen wurden verringert und die Aufenthaltsqualität verbesserte sich.


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Studie zu den Auswirkungen der Fahrradstraße auf dem Grüneburgweg

Zwischen März und April 2023 führte die Goethe Universität eine Studie durch, um die Auswirkungen dieser Umgestaltung auf die lokalen Gewerbetreibenden im Frankfurter Westend zu untersuchen. Dabei wurden insgesamt 12 Interviews mit Betreibern von Einzelhandels- und Gastronomiebetrieben geführt.

Im Fokus der Studie standen die Auswirkungen der Fahrradstraße auf die geschäftlichen Aktivitäten und die Akzeptanz solcher Maßnahmen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Gewerbetreibenden den Umbau als negativ für die Erreichbarkeit des Grüneburgwegs bewerteten. Dies führte laut den Befragten zu Umsatzverlusten, einem Rückgang der Kundenfrequenz und Problemen bei der Warenlieferung. Zudem kritisierten einige Gewerbetreibende, dass sie nicht rechtzeitig von der Stadt über den Umbau informiert wurden und kein Mitspracherecht bei der Gestaltung hatten.

Die Akzeptanz der Fahrradstraße war stark von den wahrgenommenen Auswirkungen auf die geschäftlichen Aktivitäten, der Einbeziehung in den Planungsprozess und dem eigenen Mobilitätsverhalten der Gewerbetreibenden abhängig. Obwohl viele eine grundsätzlich positive Einstellung zur Fahrradstraße hatten, sahen sie den Grüneburgweg nicht als geeigneten Standort dafür. Die Studie unterstreicht die Bedeutung einer guten Kommunikation und Einbindung der Gewerbetreibenden bei zukünftigen Umgestaltungen.

Ein Interview über die Transformation und ihre Auswirkungen

Zu diesem Konzept haben wir Stefan Lüdecke, Radverkehrsbeauftragter der Stadt Frankfurt a.M. und Referent des Dezernenten für Mobilität, befragt. Seit 2016 ist er im Mobilitätsdezernat tätig (früher Verkehrsdezernat). Sein heute wichtigstes Aufgabenfeld ist die Radverkehrsförderung.

SKYLINE ATLAS: Wie reagieren Sie auf die Bedenken der lokalen Gewerbetreibenden bezüglich Umsatzverluste und Kundenrückgang?

Stefan Lüdecke: Der Einzelhandel macht in der Post-Corona Zeit große Veränderung durch, hinzu kommen Inflation und Online-Handel. Keine einfache Situation, da haben wir Verständnis für die Ängste und Sorgen.

Das Gewerbe vor Ort wird aber nur eine Zukunft haben wenn es uns gelingt die Aufenthaltsqualität in den Straßen zu steigern, so dass sich am Ende auch mehr potentielle Kund:innen in Straßen wie dem Grüneburgweg aufhalten. Eine Straße in der weniger Autos fahren ist ruhiger und attraktiver, gleichzeitig wird der Anteil der Radfahrenden deutlich steigen. Wir wissen, dass Radfahrende eher mal vom Rad absteigen und einkaufen gehen als die Autofahrer:innen, da das Fahrradparken vor jedem Geschäft möglich ist.

Im Vorfeld der Umsetzung der Maßnahme gab es zahlreiche Informationsveranstaltungen, in die auch die Gewerbetreibenden eingebunden waren, so konnten auch Anregungen in das Fahrradstraßenkonzept aufgenommen werden. Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung durch die Frankfurt University of Applied Sciences (FUAS) haben sämtliche Gewerbetreibenden die Möglichkeit an einem qualitativen Interview teilzunehmen, somit ist es für uns sichergestellt, ein ausführliches Feedback der Geschäfte zu erhalten.

SKYLINE ATLAS: Wie wird der Erfolg der Umgestaltung des Grüneburgwegs in eine Fahrradstraße gemessen und bewertet?

Stefan Lüdecke: Die FUAS führt ähnlich wie bei dem Oeder Weg eine wissenschaftliche Begleitforschung durch. Im Spätsommer und Herbst diesen Jahres wird eine Umfrage zu den Umgestaltungsmaßnahme durchgeführt werden. Es gab bereits eine „vorher“ Befragung vor Umgestaltung des Grüneburgwegs, hinzu kommen Verkehrszählungen die durchgeführt werden, Kamerabeobachtungen und am Ende erwarten wir den Abschlussbericht im April 2025. In der Folge wird es eine politische Beratung im Ortsbeirat 2 geben und auch das Mobilitätsdezernat wird 2025 Bilanz ziehen, dann werden wir sehen, inwiefern weitere Maßnahmen zur Aufwertung des Grüneburgwegs getroffen werden sollten.

SKYLINE ATLAS: Wie soll die Balance zwischen den Bedürfnissen von Radfahrern, Fußgängern und Autofahrern in der Zukunft sichergestellt werden?

Stefan Lüdecke: Wir leben in einer Stadt die sehr durch das Auto geprägt ist. Der Straßenraum wird vieler Orts durch Parkplätze und Fahrspuren dominiert. Wenn wir Fahrradwege, breitere Gehwege, einen guten ÖPNV und eine grünere Stadt haben wollen, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als den Platz gerechter aufzuteilen. Hierbei geht es nicht darum das Auto zu verteufeln, aber wir müssen die Fehler der Vergangenheit korrigieren. Der Handel braucht attraktive Straßen, die zum Flanieren einladen und gerade die kleinen und älteren Radler:innen brauchen neue sichere Radwege, die alle Stadtteile miteinander verbinden.

Grüneburgweg - Frankfurt - Westend - Fahrradstraße

SKYLINE ATLAS: Welche langfristigen Ziele verfolgt die Stadt Frankfurt mit der Umgestaltung von Straßen in Fahrradstraßen?

Stefan Lüdecke: Die Fahrradstraße ist ein Instrument im Baukasten neuer Fahrradinfrastruktur. Ideal ist natürlich ein breiter und abgetrennter Radweg vom KFZ-Verkehr mit Abstand zum Gehweg. Leider können wir in vielen Straßen keine Radwege unterbringen, da der Gesamtquerschnitt zu schmal ist. Die Fahrradstraße ist eine Möglichkeit das Radfahren im Mischverkehr mit dem Autoverkehr sicherer zu machen. Mit Hilfe von Verkehrsführungsänderungen versucht man Durchgangsverkehre zu reduzieren, damit am Ende weniger Autos unterwegs sind und das Radfahren im Mischverkehr sicherer wird. Fahrradstraße bedeutet auch Tempo 30, Radfahrende dürfen grundsätzlich Nebeneinander fahren und das Auto ist im Grunde nur zu Gast, z.B. im Rahmen „Anlieger frei“ Beschilderung, und muss auf den Radverkehr besonders Rücksicht nehmen.

Fahrradstraßen sollen dazu beitragen, das Radfahren im Stadtgebiet attraktiver zu machen. Gleichzeitig schauen wir uns auch die Situation für den Fußverkehr an, so darf in Fahrradstraßen nicht mehr auf dem Gehweg geparkt werden und es kann in der Konsequenz wieder Nebeneinander gelaufen werden und auch für den Kinderwagen und den Rollstuhlfahrer ist mehr Platz.

SKYLINE ATLAS: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben, Herr Lüdecke.

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