Ein Besuch beim Tag der Immobilienwirtschaft 2023
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- Redaktion
Am 16. Oktober 2023 kamen zahlreiche Immobilieninteressierte aus der Branche zusammen, um über aktuelle Themen der Bau- und Immobilienwirtschaft informiert zu werden und sich darüber auszutauschen. Der Tag der Immobilienwirtschaft – eine Kooperation der Industrie – und Handelskammern Darmstadt Rhein Main Neckar und Frankfurt am Main sowie der Frankfurter Immobilienbörse – hat dieses Jahr in der IHK Frankfurt am Main (Industrie- und Handelskammer) stattgefunden.
Dort standen Nachhaltigkeitsaspekte wie ESG-Regularien, Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft im Vordergrund. Der SKYLINE ATLAS hat an der Veranstaltung teilgenommen und konnte einige spannende Eindrücke mitnehmen.
Gespräche und Interviews mit Experten über die Krise der Baubranche
Zu Beginn leitete der Präsident der IHK Frankfurt am Main, Ulrich Caspar, die Veranstaltung mit einer Ansprache ein. Der Diplom-Betriebswirt ist seit über 42 Jahren als Unternehmer mit einer Immobilienunternehmensgruppe und in verschiedenen Aufsichtsräten tätig. Besonders wegen seiner langjährigen Erfahrung sprachen wir mit Herrn Caspar über die aktuelle Krise der Baubranche.
SKYLINE ATLAS: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, uns ein paar Fragen zu beantworten. Der Leerstand an Büroimmobilien in Frankfurt ist groß – gleichzeitig entstehen allein in der Innenstadt einige weitere Großprojekte, wie das FOUR und der Central Business Tower. Wird es langfristig weiter so einen großen Bedarf an Büroimmobilien geben?
Ulrich Caspar: Die Situation ist herausfordernd: Die Unternehmen sind bei der Anmietung von neuen Flächen verhaltener, zudem schrumpft das verfügbare Angebot – auch, weil die Baudynamik nachgelassen hat. Allerdings lässt sich im Angesicht von steigenden ESG-Anforderungen, energetischen Vorgaben, New Work und dem Wettbewerb um Fach- und Arbeitskräfte eine verstärkte Nachfrage der Endkunden auf hochwertige Flächen beobachten. Daher bleibt die Nachfrage nach modernen Büroflächen in Frankfurt weiterhin hoch. Insbesondere im Preissegment von bis zu 20 Euro pro Quadratmeter – in dieser Preiskategorie suchen noch immer die meisten Unternehmen – sind in Frankfurt kaum moderne zusammenhängende Flächen zu finden.
Darüber hinaus ist auch immer die jeweilige Lage zu berücksichtigen: Der marktaktive Leerstand auf dem Frankfurter Büromarkt ist in den zurückliegenden Monaten zwar moderat gestiegen und beläuft sich aktuell auf rund eine Million Quadratmeter, was einer Leerstandsquote von 8,7 Prozent entspricht. Der Leerstand in den beliebten und stark nachgefragten Bürolagen wie dem Bankenviertel und dem Westend liegt jedoch mit Quoten von 3,8 beziehungsweise 5 Prozent deutlich unter dieser Quote für den Frankfurter Gesamtmarkt.
SKYLINE ATLAS: Hat die Politik Vertrauen verspielt oder sind die bürokratischen Hürden und Auflagen zu hoch?
Ulrich Caspar: Unsere jüngste Konjunkturumfrage hat gezeigt, dass sich die Lage in der Bauwirtschaft erneut merklich eingetrübt hat. Insbesondere die Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt sind besorgniserregend. Die derzeitige Zurückhaltung bei Projektentwicklungen im Wohnungsbau wird in den kommenden Jahren dazu führen, dass die Baufertigstellungen weiter sinken. Daraus resultiert ein Mangel an beziehbaren Wohnungen, der für unsere Mitgliedsunternehmen dramatisch ist, da der Fach- und Arbeitskräftemangel seit Langem eines der größten wirtschaftlichen Risiken für die künftige wirtschaftliche Entwicklung ist. Ohne beziehbaren Wohnraum wird sowohl die Suche nach geeigneten Fachkräften als auch das Halten von Fachkräften immer schwieriger.
Die Politik kann nun auf mehreren Ebenen handeln. Ich schlage kurzfristig steuerliche Entlastungen vor, um die Investitionsbereitschaft anzukurbeln – sowohl eine temporäre Aussetzung der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von neu errichteten Wohnimmobilien als auch eine Reduzierung der Mehrwertsteuer für den Wohnungsbau von den derzeit 19 auf sieben Prozent, da dies wie Essen und Trinken ein Grundbedürfnis ist.
Erfreulich ist, dass im Rahmen des Wachstumschancengesetzes die degressive AfA auf den Weg gebracht wurde. Um einen deutlicheren Effekt zu erzielen war mein Vorschlag an dieser Stelle aber, die Höhe auf acht Prozent pro Jahr für die Dauer von mindestens fünf Jahren festzusetzen, statt der nun eingeführten sechs Prozent im ersten Jahr und sechs Prozent des Restwertes in den Folgejahren.
Langfristig würde aber vor allem die Senkung der Baukosten durch die Reduzierung von Standards und Vorschriften helfen.
SKYLINE ATLAS: Was wünschen Sie sich für die Stadt Frankfurt und wo sollte sich Frankfurt unbedingt verbessern?
Ulrich Caspar: In Frankfurt sollten alle investitionshemmenden Satzungen und Verordnungen auf den Prüfstand kommen. Hier fallen mir die Milieuschutzsatzungen ein, die Wohnflächenzuwachs verhindern und der sogenannte Baulandbeschluss. Dieser erschwert den Wohnungsbau noch einmal erheblich und trägt zur Verschärfung der ohnehin bereits angespannten Lage bei. Die IHK Frankfurt am Main hat mehrfach ihre Mitgliedsunternehmern zu den Auswirkungen befragt. In unserer jüngsten Erhebung haben ihn 71 Prozent der an der Stichprobe beteiligten Unternehmen schlichtweg als nicht praxistauglich bewertet. 65 Prozent gaben an, ihre Projekte und Investitionen in den Wohnungsbau aufgrund der Vorgaben des Beschlusses vermehrt im Umland zu tätigen.
Gerade in Zeiten des zunehmenden Fach- und Arbeitskräftemangels ist dies kein gutes Signal für den Wirtschaftsstandort Frankfurt. Angesichts der Vielzahl an konjunkturellen Herausforderungen wäre ein Aussetzen des sogenannten Baulandbeschlusses hilfreich. Die Zeit könnte genutzt werden, um die Inhalte in einem konstruktiven Dialog mit den Unternehmen der Bau- und Immobilienwirtschaft zu überarbeiten.
SKYLINE ATLAS: Vielen Dank, Herr Caspar, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch mit uns genommen haben.
Nachdem Christine Helbach, Abteilungsleiterin Immobilienconsulting- und bewertung beim Stadtvermessungsamt Frankfurt, einen Auftaktdialog über die Zukunft des Immobilienmarkts FrankfurtRheinMain hielt, unterhielten wir uns mit ihr über die Krise der Baubranche. Bauunternehmen brechen aufgrund der gestiegenen Energie- und Materialkosten sowie höhere Zinsen die Aufträge weg. Besonders betroffen ist der Wohnungsneubau. 2022 wurden in Frankfurt deutlich weniger Wohnungen fertiggestellt als in den Jahren zuvor. Dazu erklärte Frau Helbach, dass dies mit der Tatsache zusammen hänge, dass mittlerweile beim Wohnungsbau viele neue Regelungen und Maßnahmen eine Rolle spielen, welche den Prozess erschweren. Zudem gäbe es kein Gesetz, in welchem alle Regelungen zum Bau zusammengefasst aufgeführt seien, sondern die verschiedenen Vorgaben in den Gesetzen und Verordnungen widersprechen sich teilweise gegenseitig. Gestiegene Kosten der Baugrundstücke, Nebenkosten, Notarkosten sowie Finanzierungskosten seien ebenfalls ein ausschlaggebender Faktor. Außerdem sei die fehlende Nachfrage und Finanzierung beim Wohnungsendnutzer eine grundlegende Ursache der Krise der Baubranche.
Da viele Menschen im Homeoffice arbeiten, verkleinern zahlreiche Unternehmen in Deutschland ihre Büros. Einige Studien belegen, dass dies eine Chance für den Wohnungsmarkt sein könnte. Besonders Frankfurt eignet sich demnach für die Umwandlung von Büros. Als wir Frau Helbach fragten, wieso diese Entwicklung ihrer Meinung nach noch auf sich warten lässt, erklärte sie, dass Büros den Anforderungen des Wohnungsbaus oftmals nicht gerecht werden. Man könne also die wenigsten Bürogebäude mit nur wenig Aufwand und Kosten zu einem Wohngebäude umbauen. Zudem seien die Eigentümer der Bürogebäude aufgrund der damit verbundenen Kosten oftmals gegen eine solche Umnutzung, da es sich für sie finanziell nicht lohnt. Zusätzlich würde einer Umnutzung oft das Planungsrecht entgegenstehen, so dass Wohnungsbau nur über Ausnahmen oder Befreiungen genehmigt werden könnte. Eine entsprechende Infrastruktur spiele dabei ebenfalls eine Rolle, denn diese sei an Bürostandorten nicht immer gegeben, jedoch sei dies für Wohngebäude ein essenzielles Kriterium.
Außerdem hielt Sean Nolan, Head of Growth bei Concular GmbH, einen Vortrag darüber, wie es gelingt, Kreislaufwirtschaft bei Immobilien erfolgreich umzusetzen. Dabei erklärte er, wie zirkuläres Bauen erfolgreich umgesetzt werden kann, wie Urban Mining funktioniert und was Digitalisierung für Circular Economy im Lebenszyklus bedeutet. Das Unternehmen Concular GmbH ist Marktführer für zirkuläres Bauen und hat deutschlandweit schon mehr als 300 Projekte erfolgreich umgesetzt.
Bei seinem Vortrag berichtete Herr Nolan unter anderem von der technischen Neuausrichtung des 50.000 Quadratmeter Gesamtfläche umfassenden PRISMA in Frankfurt-Niederrad, welche von Sonar Real Estate durchgeführt worden ist und mit Concular zirkulär gestaltet wurde. Dabei wird die ehemalige Single-Tenant-Immobilie in ein modernes und flexibles Mulit-Tenant-Bürogebäude umgewandelt und öffnet dabei Gemeinschaftsflächen für die Öffentlichkeit.
Laut Studien gehen die Hälfte aller weltweit genutzten Ressourcen in den Bausektor und das Baugewerbe ist für ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die Bauindustrie erkennt nur langsam die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeits und nur ein Bruchteil verfügt bereits über eine entsprechende Strategie. Bei einem Gespräch mit Herrn Nolan haben wir ihn gefragt, ob hier bei der Umsetzung noch Nachholbedarf bestehen würde. Dazu erklärte Herr Nolan, dass dies bei der Umsetzung von Zirkularität auf jeden Fall so sei. Vor allem bei den 38% globaler Treibhausgasemissionen gäbe es sehr viel Nachholbedarf. Die Hälfte der 38% entstehe aus der Produktion der Immobilie und sei definitiv ein Ansatzpunkt. Projekte wie das Urban Mining beim PRISMA würden dabei zu einer messbaren CO2-Einsparung beitragen.







![Caspar, Ulrich Foto Kristin Langholz Gründer-Journal[42] Ulrich - Caspar - IHK - Frankfurt](https://bunny-wp-pullzone-w9d8uyugqm.b-cdn.net/wp-content/uploads/2023/10/Caspar-Ulrich-Foto-Kristin-Langholz-Gruender-Journal42.jpg)



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